- 25. April 2025
„Wir müssen unsere Denkweise öffnen, um eine inklusivere Arbeitswelt zu schaffen“

Seit drei Jahren trägt Ligia Gateau als Personalberaterin massgeblich zum Erfolg von albedis bei. Ihre internationale Berufserfahrung in unterschiedlichen Bereichen, von der Kundenbetreuung bis zur Personalgewinnung, sowie ihre Tätigkeiten in Ländern wie Bahrain, Irland und der Schweiz verleihen ihrer Arbeit eine besondere Tiefe und Perspektive. Als Spezialistin für Marketing-Profile setzt sie sich leidenschaftlich für Diversität und Inklusion ein. Im Gespräch teilt sie ihre Einschätzungen zu aktuellen Herausforderungen und Entwicklungen im Recruiting.
Ihr Fokus liegt auf Marketingprofilen sowie auf den Themen Diversität und Inklusion. Was sind aus Ihrer Sicht die grössten Herausforderungen in der Schweiz?
Ligia Gateau: „Eine der zentralen Herausforderungen in der Schweiz ist die begrenzte Offenheit vieler Unternehmen. Oft werden Bewerber bevorzugt, die der bestehenden Unternehmenskultur stark ähneln, was zu einer gewissen Homogenität in den Teams führt. Aussagen wie ‚Sie haben keine Schweizer Berufserfahrung‘ sind keine Seltenheit und schrecken internationale Talente ab. Auch in puncto Gleichstellung der Geschlechter gibt es noch viel zu tun. Veraltete Denkweisen, wie etwa die Erwartung, dass eine Assistentin stets verfügbar und nicht familiär eingebunden sein sollte, sind leider nach wie vor präsent.“
Welchen Rat geben Sie Bewerberinnen und Bewerbern, die mit solchen Hürden konfrontiert sind?
„Mein wichtigster Rat: Niemals aufgeben. Man muss aktiv Türen öffnen, sich gezielt vorbereiten, den Arbeitsmarkt gut kennen, Netzwerke aufbauen und Kontakte pflegen. Insbesondere Frauen empfehle ich, sich einen Personalvermittler zu suchen, der als Fürsprecherin oder Fürsprecher auftritt, das kann den entscheidenden Unterschied machen.“
Wie steht es um die beruflichen Chancen von Müttern?
„Mutterschaft ist in vielen Unternehmen noch immer ein sensibles Thema. Teilzeitmodelle, etwa mit einem Pensum von 60 bis 80 Prozent, gelten oft als leistungshemmend, was eine überholte Sichtweise darstellt. Mein Wunsch ist es, diese Denkmuster zu verändern, damit jede Frau ihren beruflichen Weg gehen kann, ohne sich zwischen Karriere und Familie entscheiden zu müssen.“
Sie sprechen oft davon, dass Inklusion die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens fördert. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund politische Entwicklungen in den USA?
„Die Entscheidung von Donald Trump, Diversity-, Equity- und Inclusion-Vorgaben für bundesnahe Unternehmen aufzuheben, sendet ein alarmierendes Signal. Sie zeigt, dass selbst in hochentwickelten Volkswirtschaften Inklusion keine Selbstverständlichkeit ist. Umso wichtiger ist es, in der Schweiz und darüber hinaus konsequent an diesen Werten festzuhalten. Denn ein inklusives Unternehmen ist nicht nur menschlicher es ist auch innovativer, widerstandsfähiger und erfolgreicher.“
Beobachten Sie Veränderungen in Bezug auf Vielfalt und Integration im Recruiting?
„Vor allem internationale Unternehmen setzen zunehmend auf einen integrativeren und vielfältigeren Recruiting-Ansatz. Das ist ein positiver Anfang, aber die Schweiz hat hier noch Aufholbedarf. Gleichzeitig beobachte ich einen Trend hin zu sogenannten ‚Allrounder-Profilen‘, insbesondere im Marketing. Man sucht Bewerberinnen und Bewerber, die sich in Grafikdesign, Video, Branding und Projektmanagement gleichermassen auskennen. Hier ist es wichtig, realistische Erwartungen zu kommunizieren: Niemand kann alles perfekt abdecken. Unternehmen sollten verstärkt auf das Potenzial und den Mehrwert von Kandidatinnen und Kandidaten achten, auch wenn diese nicht zu 100 Prozent dem Anforderungsprofil entsprechen.“
Wie ist die Lage von Frauen in Führungspositionen in der Schweiz?
„Frauen sind nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Es ist wichtig, Erfolge sichtbar zu machen und inspirierende Vorbilder zu benennen, nur so kann ein Wandel entstehen. Der gesellschaftliche Diskurs spielt hierbei eine zentrale Rolle.“
Welche Herausforderungen sehen Sie für erfahrene Bewerberinnen und Bewerber, insbesondere für Menschen über 55 Jahre?
„Diese Zielgruppe bringt einen grossen Erfahrungsschatz mit, trotzdem haben viele Schwierigkeiten, eine passende Stelle zu finden. Unternehmen sollten den enormen Mehrwert dieser Fachkräfte erkennen: Sie bieten Expertise, Wissenstransfer und können als Mentoren wertvolle Beiträge leisten. Auch hier braucht es ein Umdenken.“
Welche Entwicklungen identifizieren Sie derzeit im Bereich Diversity- und Inklusion bei der Gewinnung von Personal?
„Unternehmen beginnen zunehmend zu erkennen, dass vielfältige Teams ein echter Wettbewerbsvorteil sind. Es gibt immer mehr Initiativen, insbesondere bei internationalen Konzernen, etwa Schulungen zu unbewussten Vorurteilen oder Quotenregelungen zur Förderung von Frauen und Minderheiten. Kleinere und mittlere Unternehmen in der Schweiz sind oft noch zögerlich. Dabei ist Vielfalt keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung: Unterschiedliche Perspektiven fördern Kreativität, Problemlösungskompetenz und Innovationskraft. Wer mit der Zeit gehen möchte, muss Offenheit zulassen und sich von internationalen Best Practices inspirieren lassen.“
Und zum Abschluss: Wie sieht Ihr persönlicher Wunsch für die Zukunft der Gewinnung von Personal in der Schweiz aus?
„Ich wünsche mir, dass wir die Barrieren abbauen, die Vielfalt und Inklusion noch im Weg stehen. Ich möchte eine Arbeitswelt sehen, in der Unternehmen bereit sind, auch unkonventionelle und vielfältige Lebensläufe wertzuschätzen. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht aber mit Ausdauer und Engagement bin ich überzeugt, dass wir das Ziel erreichen können.“
